Komplexe Problemlage im Neubau
Die aktuelle Krisensituation bedroht in erster Linie die Verfügbarkeit von bezahlbaren Wohnungen, die sich breite Teile der Gesellschaft leisten können. Der seit der Corona-Krise befürchtete Trend eines stockenden Neubaus drückt sich mittlerweile auch statistisch eindeutig aus: Im ersten Halbjahr des Jahres 2023 erfasste der Landesbetrieb IT.NRW fast ein Drittel weniger Baugenehmigungen als zwischen Januar und Juni 2022. Im letzten Jahr waren es noch insgesamt 31.484 Wohnungen im ersten Halbjahr, in diesem Jahr sind es mit 21.211 Wohnungen ganze 32,6 Prozent weniger – ein extremer Einbruch der Neubautätigkeiten.
Schwierige Zukunftsperspektiven für bezahlbares Wohnen
Wo viele Menschen wohnen wollen, aber keine neuen Wohnungen entstehen, findet man kein neues Zuhause, sondern nur lange Schlangen bei den Besichtigungen der wenigen freien Wohnungen. Das treibt die Mietpreise nach oben und setzt angespannte Wohnungsmärkte noch weiter unter Druck. Das Instrument, um dieser Entwicklung - vor allem in den stark nachgefragten Ballungszentren, aber zunehmend auch in eher ländlich geprägten Regionen - entgegenzuwirken, braucht es eine Kehrtwende im Neubau. Die Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften des VdW Rheinland Westfalen verfolgen das Ziel, den Menschen im Verbandsgebiet qualitativ gute und moderne, klimagerechte und bezahlbare Wohnungen anzubieten. In der derzeitigen Situation, die vor allem aus rasant gestiegenen Baukosten, einem steilen Anstieg der Bauzinsen innerhalb kurzer Zeit und Verunsicherung über die wohnungspolitischen Rahmenbedingungen besteht, ist dieses Ziel im Neubau kaum noch zu verfolgen.
Unternehmen und Genossenschaften, die jetzt Wohnungen neu bauen wollen, landen am Ende aufgrund der beschriebenen Dynamiken bei Kaltmieten in Höhe von 17 bis 20 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Das ist für die allermeisten Menschen nicht stemmbar - und für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft auch nicht.
Aus diesem Grund fand am 25. September 2023 der "Wohngipfel" im Bundeskanzleramt im Rahmen des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum auf Bundesebene statt. Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft, deren Positionen der Dachverband GdW in der Bundespolitik vertritt, hatte im Vorfeld die Teilnahme daran abgesagt. Im Ergebnis kam auch das erwartetete Produkt: Ein 14-Punkte-Programm, das aber nicht leistungsstark genug ist, um die dringend benötigte Wende im Neubau von bezahlbaren Wohnungen einzuleiten. Teilweise laufen die getroffenen Maßnahmen, wie die Anpassung der degressiven AfA vollständig an sozial orientierten Wohnungsunternehmen und -genossenschaften vorbei.
Wie kann die Trendwende gelingen?
Baukosten und Zinswende - diese beiden Aspekte sind die hauptsächlichen Kostentreiber bei Neubauwohnungen. An diesen Stellen sollte angesetzt werden. Was auch möglich ist, denn in steuerlicher Hinsicht bestehen Potentiale, um die hohen Kosten pro Neubau-Quadratmeter effektiv, zielgerichtet und schnell zu senken. Sowohl beim Grundstückserwerb als auch bei der Mehrwertsteuer im Einkauf von Baustoffen und -dienstleistungen. Auch die Zins-Situation eröffnet den Raum, um über eine vergünstigte Finanzierung als Fördermodell in der Wohnraumförderung des Bundes nachzudenken.
Diese verschiedenen Aspekte finden sich im Schwerpunkt der VM-Ausgabe 10/23 - daneben in gewohnter Form mit weiteren Trends, News und Entwicklungen in und um die sozial orientierte Wohnungswirtschaft.