VdW RW: Welche Rolle spielen moderne Holzbausysteme bei der seriellen Sanierung und wo liegen die Vorteile gegenüber anderen Verfahren?
Martin Schwarz: Der moderne Holzbau zeichnet sich durch präzise Vorfertigung von Dach- und Fassadenelementen aus. Diese in Holzrahmenbauweise gefertigten Bauteile weisen einen mehrschaligen Aufbau auf, wobei die Dämmebene in die Tragstruktur des Elements integriert wird. Mit dem Werkstoff Holz können so leistungsstarke, hochdämmende und großflächige Fassadenelemente mit einem geringen Eigengewicht hergestellt werden.
Die Vorfertigung in der Werkhalle beginnt mit dem individuellen Zuschnitt der Hölzer und Plattenwerkstoffe. Dies erfolgt bereits mit einem hohen Automatisierungsgrad. In Abhängigkeit von der Fertigungskapazität des Holzbauunternehmens werden auch weitere Arbeitsschritte beim Zusammenfügen des Elements bis hin zur Füllung zum Beispiel mit Zellulosedämmung automatisiert durchgeführt. Die Vorfertigung in der Werkhalle beinhaltet zudem den Einbau von Fenstern und die Montage der Fassadenbekleidung. Bei Bedarf können weitere Installationsebenen für die technische Gebäudeausstattung integriert werden. Die für das Gebäude individuell gefertigten Fassadenelemente können so innerhalb kürzester Zeit vor Ort zu einer neuen Gebäudehülle zusammengefügt werden.
Grundlage für eine präzise Fertigung ist ein genaues Aufmaß der Fassade am Bestandsgebäude. Nach dem Prinzip der Schablone müssen die vorgefertigten Holzbauelemente exakt auf die Geometrie des Gebäudes passen. Moderne Messtechniken wie 3D-Laserscanner, Tachymetrie und Mehrbildphotogrammetrie liefern präzise Daten vom Gebäude. In der Praxis werden meist verschiedene Methoden gleichzeitig angewendet, an schwierigen Stellen kann auch einmal ein Handaufmaß vonnöten sein. Das Fassadenaufmaß bildet die Basis für die weitere Werkplanung zur Fertigung der Elemente.
Zudem ist eine sorgfältige Sondierung des Bestandgebäudes im Hinblick auf die Befestigungspunkte und Lastabtragung der Horizontal- und Vertikallasten erforderlich. Gleiches gilt für die Analyse des bestehenden Wandaufbaus unter bauphysikalischen Aspekten.
Neben der integrierten Planung, effizienten Fertigung sowie kurzen Baustellenzeiten ergeben sich Vorteile im Hinblick auf die hohe Material- und Energieeffizienz der eingesetzten Holzbaumaterialien. Bei etwaigen Nutzungsänderungen besteht die Möglichkeit des Rückbaus der Fassadenelemente. Die eingesetzten Materialien können beim Rückbau voneinander getrennt werden und stehen so für eine weitere Verwendung im Rahmen einer zirkulären Bauwirtschaft zur Verfügung.
Durch die Integration zum Beispiel von Loggien oder Gebäudevorsprüngen in die neue Gebäudehülle kann zudem die Anpassung des Wohnungszuschnitts erfolgen. Die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Aufstockungen in Kombination mit der Sanierung der Gebäudehülle des Bestandsgebäudes kann zeitgleich und mit „einem“ Bausystem erfolgen.
Voraussetzung für eine effiziente und wirtschaftliche Modernisierung mit vorgefertigten Holzbausystemen sind eine einheitliche Typologie und ein serieller Aufbau des Bestandsgebäudes.
VdW RW: Bestehen genügend Kapazitäten in NRW, um das serielle Sanieren bereits jetzt in die Breite zu tragen oder sind vergleichsweise wenig Holzbauunternehmen darauf spezialisiert?
Martin Schwarz: Die Vorfertigung von individuellen Holzrahmenbauelementen und das anschließende Zusammenfügen der Elemente zu einem fertigen Gebäude bildet die Kernkompetenz der Holzbauunternehmen. Mit Steigerung der Holzbauquote bei Neubauten ist die Branche sowohl in NRW als auch in den benachbarten Bundesländern in den letzten 10 Jahren weiter gewachsen. Auch in kleineren Holzbauunternehmen wurden die Kapazitäten und der Automatisierungsgrad für eine effiziente und individuelle Fertigung weiter ausgebaut. Die holzbautechnischen Grundlagen für das serielle Sanieren wurden bereits vor mehr als zehn Jahren im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts an der TU München erarbeitet, viele Referenzobjekte wurden erfolgreich umgesetzt. Die Holzbauunternehmen stehen bereit, das Ziel des klimaneutralen Gebäudebestands in der Wohnungswirtschaft umzusetzen.
VdW RW: Ist genug Holz verfügbar, um auch im Sinne des Klimaschutzes auf kurzen Wegen die ausführenden Betriebe mit Holz zu versorgen?
Martin Schwarz: Im Rahmen einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung konnten sowohl das Holzaufkommen als auch der Kohlenstoffvorrat in den heimischen Wäldern weiter gesteigert werden. Der Holzzuwachs in den umfangreichen Nachkriegsaufforstungen, überwiegend mit den Baumarten Fichte und Kiefer, befindet sich auf einem hohen Niveau und wurde in den letzten 10 Jahren nur zu 80% genutzt. Der Waldumbau hin zu stabilen Mischwäldern wurde bereits Mitte der 1980er Jahre eingeleitet. Aufgrund der aktuellen Waldschäden nach Sturm und Dürre wird sich jedoch der Umbau der Wälder beschleunigen und die Rohstoffbasis verändern. Es stehen jedoch ausreichend Holzrohstoffe zur Verfügung, um die aktuellen Herausforderung im Bereich der Modernisierung von Bestandsgebäuden durch die Holzbaubranche zu meistern. Deutschland ist im Bereich von Schnittholz und Holzwerkstoffen Selbstversorger.
VdW RW: Welche Herausforderungen bestehen aus Ihrer Sicht bei der seriellen Sanierung in Holzbauweise noch?
Martin Schwarz: Entscheidend ist die fachgerechte Planung der Sanierung am Bestandsgebäude. Hier müssen die Kompetenzen von Fachplanern und Architekten auch in Bezug auf die Anforderungen an den Einsatz moderner Holzbausysteme weiter geschärft werden.
VdW RW: Gibt es Beratungsangebote für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft?
Martin Schwarz: Wir bieten im Rahmen der Plattform Bauen mit Holz.NRW eine kostenlose Startberatung durch die von Wald und Holz NRW beauftragen Fachplaner an. Dabei werden die einzelnen Schritte der seriellen Modernisierung am konkreten Objekt vorgestellt und Hinweise zur Umsetzung gegeben. Gleichzeitig steht die Fachberatung Holzbau für Detailfragen wie beispielsweise zum Brandschutz, dem Ausgleich von Toleranzen am Bestandsgebäude oder der Fassadenbekleidung zur Verfügung.